Von Caspar David Friedrich bis Edvard Munch lassen sich in der neuen Ausstellung ungewohnte Sichtachsen und neue Verbindungen entdecken. Da das Behnhaus wegen Sanierungsarbeiten für etwa zwei Jahre geschlossen bleibt, werden die Highlights der Sammlung konzentriert in den Räumlichkeiten des Drägerhauses präsentiert. Dadurch treffen die Kunst des 19. Jahrhunderts und die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts noch unmittelbarer aufeinander und bilden neue Bildpaare, die sowohl den rasanten Wandel und die damit verbundenen Gegensätze als auch bemerkenswerte Parallelen in der Kunst zwischen 1800 und 1945 sichtbar machen.
Das ausgehende 19. Jahrhundert und das beginnende 20. Jahrhundert bedeuteten für viele Künstlerinnen und Künstler einen Aufbruch in die Moderne. Auch die zeitgenössische impressionistische Malerei brach mit vielen bestehenden Traditionen. Der Lübecker Künstler Gotthardt Kuehl verstand es, in Alltagsszenen die Kunst der Alten Meister und des deutschen Realismus mit dem aufkommenden Impressionismus zu vereinen.
Gemälde des deutschen Impressionismus zählen heute zu den Hauptwerken unserer Museumssammlung, einige davon auch von aus Lübeck stammenden Künstlerinnen und Künstlern. Die Motive reichen von regionalen Themen bis zu internationalen Landschaften. Besonders spürbar wird hier die rasche Verbreitung der Freiluftmalerei, bei der die Künstlerinnen und Künstler ihre Eindrücke direkt in der Natur auf die Leinwand brachten und so den flüchtigen Augenblick festhielten.
So wie das Individuum mit der Aufklärung und dem Klassizismus an Wichtigkeit gewann, so erhöhte sich auch der Stellenwert des Porträts, vor allem des bürgerlichen Bildnisses. Auch in der Porträtmalerei Norddeutschlands drückt sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts - wie hier in Gelehrtenporträts und Freundschaftsbildern - ein neues bürgerliches Selbstverständnis aus.
An die klassische Feinmalerei der bürgerlichen Bildnisse knüpft gut 100 Jahre später die Malerei der sogenannten Neuen Sachlichkeit an, in der Künstlerinnen und Künstler auf die glatte Malweise zurückgriffen. Porträts erscheinen dabei wieder in klassischer Strenge, Unmittelbarkeit und Nähe.
1808 schloss sich der Maler Friedrich Overbeck mit fünf Mitstudenten zusammen und gründete den Lukasbund, der sich von der Akademie und ihrer klassizistischen Ausbildung abwandte. Die Künstler sahen stattdessen die Religion als Grundlage ihrer künstlerischen Arbeit und Quelle ihrer Inspiration. Einige Mitglieder zogen von Wien nach Rom. Da sie dort zunächst wie eine Bruderschaft in einem Kloster lebten, lange Gewänder und langes Haar trugen und die Römer an die Jünger Jesu von Nazareth erinnerten, erhielten sie den Spottnamen „Nazareni“.
Im frühen 20. Jahrhundert wurde auch wieder auf Motive und Malweise der Nazarener zurückgegriffen: Eine nüchterne Strenge und eine detaillierte Malweise, die sich durch besondere Klarheit und Schärfe auszeichnet, bilden eine Verbindung zu den Werken der Nazarener.
Der Gedanke der Verschmelzung von Gemüt und Naturleben verbindet die Kunstauffassungen der Romantiker Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich, die in stimmungsvollen Bildern die Entdeckung ihrer heimischen Natur in Szene setzten. So zeigen die Bilder der deutschen Romantik nicht immer ausschließlich wirklich Gesehenes, sondern transportieren auch eine symbolische Bildbedeutung.
Ein Gegensatz wird in zwei verschiedenen Darstellungen der Elbe sichtbar: Dem symbolisch aufgeladenen Flussmotiv bei Richter steht die impressionistische Malerei von Kuehl aus dem Jahr 1902 entgegen, in der der momenthafte Blick auf den Fluss eingefangen wird.
Um 1800 war die Italienreise für viele Künstler fester Bestandteil ihrer Aus- und Fortbildung und es gab einen regelrechten Kanon von Reiseorten und Zielen, die man ansteuern musste. In der römischen Campagna, den Sabiner und Albaner Bergen oder auch auf Sizilien fanden Künstler das Licht und die Atmosphäre, um ihre Malerei zu entwickeln. Einige Künstler zog es jedoch nicht in den Süden: Der Lübecker Künstler Johann Wilhelm Cordes entdeckte stattdessen beispielsweise die Natur seiner Heimat Schleswig-Holstein.
Auf zahlreichen Besuchen bei seinem Förderer Dr. Max Linde, einem Lübecker Augenarzt und Kunstsammler, hielt Edvard Munch sich zwischen 1902 und 1907 immer wieder in Lübeck auf. Auf diesen Reisen entstanden Bilder mit regionalen Landschaftsmotiven, aber auch sein Lübecker Hauptwerk „Die Söhne des Dr. Max Linde“, das er 1903 im Auftrag seines Förderers malte.
Für den ersten Direktor des Behnhauses, Carl Georg Heise, spielte die Kunstrichtung des Expressionismus eine große Rolle. Schon früh beschäftigte er sich mit der Verbindung zwischen alter und neuer Kunst und sah seine Gegenwart als „Epoche des Ringens um vertiefteren seelischen Ausdruck“, der insbesondere in der Kunst des deutschen Expressionismus seine künstlerische Form fand. In expressionistischen Atelierbildern zeigt sich hier die Verbindung von Alltag und Kunst, in verschiedenen Stillleben wiederum die Möglichkeit zur individuellen Audruckskunst.
Im Vergleich zur impressionistischen Malerei, die sich meist auf das Festhalten eines flüchtigen Moments konzentrierte, legten die Künstlerinnen und Künstler des Expressionismus den Schwerpunkt ihrer Kunst wieder vermehrt auf den Ausdruck ihres seelischen Zustands, teils auch mit symbolischer Bedeutung. Neben Bildmotiven aus der freien Natur und Porträts rückte auch das Motiv des Großstadtlebens in den Vordergrund.
Zahlreiche Geschichten und Persönlichkeiten, viele von ihnen Lübecker Bürgerinnen und Bürger, finden sich in unserer Porträtsammlung. Darunter sind auch einige spannende Frauen der Sammlung vertreten, wie die Lübecker Fotografin Hildegard Heise, die selbst Porträts schuf und ihre zahlreichen In- und Auslandsreisen fotografisch dokumentierte oder die von Max Beckmann porträtierte und später in Auschwitz ermordete Elsbet Flora Götz.
Gleichzeitig wirklich und gespenstisch - so lassen sich die Stillleben von Albert Aereboe und Franz Radziwill beschreiben. Es handelt sich um Vertreter der nachexpressionistischen Strömung, die sowohl als Neue Sachlichkeit, als auch als magischer Realismus bezeichnet wird. Fast surreale Elemente treffen auf eine klare Malweise, die an altmeisterliche Techniken erinnert.