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Barlachs Frauenbilder

"...das Kunstwerk dieser Erde"

13.02.2011 bis 29.05.2011

Ernst Barlach hat sich in seinem Werk auf vielfältige und intensive Weise mit dem Thema Frau beschäftigt, das er in einem bislang unbeachteten Facettenreichtum entfaltet. Neben der Darstellung von Frauen aus seinem persönlichen Umfeld zeigt er die Frau seinem Rollenverständnis entsprechend als Ehefrau, Schwangere und Mutter, als Bäuerin und Arbeiterin, als femme fatale oder Dame der Gesellschaft. Barlach schreckt dabei nicht vor Tabuthemen wie Alkoholismus oder ungewollter Schwangerschaft zurück. Die Frau erscheint als Lebensmüde und Verzweifelte, aber auch als Träumerin, die sich übersinnlichen Sphären hingibt, und als Gestalt seiner individuellen Mythologie, als Furie und Hexe. Barlach setzt sich bereits während seines Studiums der Bildhauerei in Hamburg und Dresden mit der weiblichen Anatomie auseinander. Angeregt durch Jugendstil und französische Plakatkunst, mit denen er in Paris in Berührung kommt, gestaltet er anschließend sinnlich-erotische Darstellungen von Frauen, die sich durch Werke von Auguste Rodin und Edgar Degas, aber auch Aristide Maillol inspiriert zeigen. Im Jahre 1900 fertigt er mehrere, für sein Werk außergewöhnliche Aktdarstellungen. Während seiner Russlandreise im Jahre 1906 findet Barlach verstärkt zu einer vereinfachten Formgebung. Die Körper der Figuren, insbesondere der Frauenkörper, werden nicht mehr anatomisch durchgeformt, sondern sind blockhaft gefasst und verhüllt. Dieser Frauentypus, der durch die russischen Bettlerinnen beeinflusst ist, prägt Barlachs Kunst der folgenden Jahre. Ab 1912 führt der Einfluss des Fauvismus und Kubismus zu einer zunehmend abstrahierten Formensprache, bei der Gewand und Körper mehr und mehr verschmelzen. In dieser Zeit entwirft Barlach einen spirituellen Frauentypus, dem er auch in seinen Dramen Ausdruck verleiht, die er zum Teil mit Lithografien und Holzschnitten versieht. Mit den öffentlichen Auftragswerken für Güstrow, Lübeck und Hamburg gestaltet er in der Frauenfigur einmal mehr ein Symbol für übergeordnetes kosmisches Sein und übersinnliches Empfinden.

Erstmals wird im Zuge der Ausstellung auch der Zusammenhang zwischen Barlachs persönlichen Beziehungen zu Frauen und seinen Frauenbildern untersucht. Seine symbiotische Mutterbeziehung führt zur intensiven Beschäftigung mit weiblichen Thematiken und bestimmt sein Frauenbild wie auch seine persönlichen Frauenbeziehungen, die er künstlerisch verarbeitet.

Ernst Barlach: Die Sünderin, 1929/30
Ernst Barlach mit der Skulptur "Mutter und Kind", 1935
Ernst Barlach: Selbstbildnis, 1928
Ernst Barlach: Frau im Wind, 1931
Ernst Barlach: Der Buchleser, 1936
Ernst Barlach: Russische Bettlerin I, 1907
Ernst Barlach: Gemeinschaft der Heiligen, 1929/30